"Man muss nicht 'spielfrei' sein, um an der Selbsthilfegruppe teilzunehmen", erklärt Suchtberater Kai Kleine. Und es muss auch nicht nur über die Sucht gesprochen werden. "Jedes Thema hat hier seinen Platz und kann angesprochen werden." Denn scheinbar ganz andere Lebensthemen haben häufig - über Umwege - auch einen Bezug zur Spielsucht, weiß der Sozialarbeiter.
Nach einer überstandenen Alkoholsucht wendete sich Walter dem Spielen am Automaten zu und entwickelte eine Spielsucht, die ihn fast zwanzig Jahre nicht mehr los ließ. Manchmal stand Walter zehn Stunden und länger unter Hochspannung am Automaten. "Da lief mir der Kopf heiß. Ich trank Kaffee und rauchte exzessiv, um die Spannung auszuhalten." Jedoch konnte ihn eine Selbsthilfegruppe alleine nicht vom Spielen abhalten, schildert er seine damalige Situation.
Nach langen Jahren in den Spielotheken entschied Walter, sich einer Therapie zu unterziehen. "Ich wollte nichts mehr mit dem Spielen zu tun haben und immer noch mehr Geld verlieren, das ich eigentlich gar nicht hatte." 16 Wochen war Walter dann in einer Suchtklinik, die ihn dank guter Therapeuten zum Erfolg führte. Seit sechs Jahren ist Walter nun "spielfrei". Die Kontrolle seiner Finanzen hatte er zur Sicherheit jedoch freiwillig an einen rechtlichen Betreuer abgegeben.
Vor zehn Jahren begann Bärbel mit dem Spielen. Ihr damaliger Lebensgefährte, der ebenfalls spielsüchtig war, nahm sie regelmäßig mit in die Spielothek. "Ich freute mich sogar darauf, denn beim Zocken bekam ich die Birne frei", erinnert sich Bärbel. Daher behielt sie auch nach der Trennung diese Gewohnheit bei, mit dem Unterschied, dass sie nun ihr eigenes Geld verzockte. Irgendwann hatte sie weder andere Interessen noch Sozialkontakte, sondern verbrachte ihre freie Zeit in der Spielothek, bis sie ihr komplettes Gehalt verspielt hatte. "Ich hatte dann nur noch ein paar Cent in der Tasche, mit denen ich mir nicht mal mehr Toastbrot leisten konnte", blickt Bärbel zurück.
Besonders schwierig wurde es, wenn beispielsweise jemand aus dem Familienkreis Geburtstag hatte und sie kein Geld mehr für ein Geschenk übrig hatte. "Dann musste ich regelmäßig Ausreden erfinden. So koppelte ich mich immer mehr von meinem sozialen Umfeld ab." Wenn das Geld mal wieder verbraucht war, verfiel sie in Depressionen, dachte über Suizid nach oder wie sie neues Geld beschaffen könnte. Sich strafbar zu machen und am Ende im Knast zu landen, wäre ihr dann auch egal gewesen.
Zwei stationäre Aufenthalte in einer Suchtklinik haben ihr nicht wirklich weiter geholfen. Dort hat sie zwar viel über sich gesprochen und nachgedacht und versucht, alternative Beschäftigungen aufzubauen. "Du musst jedoch selbst von der Sucht los kommen wollen, sonst bringt jede Therapie nichts", hat Bärbel festgestellt. Durch das Spielersperrsystem "OASIS", auf das sämtliche, legale Spielotheken bundesweit Zugriff haben, hat sich Bärbel dann selbst sperren lassen, und das hat am Ende den Erfolg gebracht und ihre Spielsucht vorläufig unterbrochen. "Trotz allem habe ich gerne gespielt", sagt Bärbel rückblickend. Seit eineinhalb Jahren ist Bärbel nun "spielfrei". Bargeld in der Hand kann sie jedoch immer noch triggern. Daher bezahlt sie heutzutage nur noch mit EC-Karte. Und anstatt das Geld am Automaten auszugeben, beschenkt sie lieber ihre Enkelkinder.
Zur Zeit sucht die Selbsthilfegruppe nach neuen Interessentinnen und Interessenten. "Nicht das es diese nicht gäbe, aber es ist gar nicht so einfach, sich seiner Sucht zu stellen", weiß Kai Kleine. "Und auch wenn die Spielsucht schon lange kein Thema mehr ist, kann die Selbsthilfegruppe Sicherheit geben, nicht zurück zu fallen."
Zur "pathologischen Glücksspielsucht" findet 14-tägig, immer donnerstags in den geraden Kalenderwochen von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr, die angeleitete Selbsthilfegruppe in den Räumlichkeiten der Sucht- und Drogenberatungsstelle, Weinerstraße 20, in 48607 Ochtrup statt.