Setzen sich für die Prävention von Einsamkeit ein (von links): Caritas-Vorsitzender, Pfarrdechant Johannes Büll, Geschäftsführer Burkhard Baumann, Altenhilfe-Referentin Verena Wilmer, Professor Dr. Sebastian Kurtenbach, Altenhilfe-Referentin Andra Jäger und die ehrenamtlich Engagierte Maria Lülf
Geschäftsführer Burkhard Baumann konnte eine Vielzahl an Gästen aus den Kirchen, der Politik und der Zivilgesellschaft sowie Ehrenamtliche aus den Gremien und Berufstätige im Caritasverband begrüßen. "CaritasZeit - der Caritasverband Steinfurt mit seinen Untergliederungen und Verantwortlichen nimmt sich Zeit, über grundsätzliche Themen nachzudenken und mit Interessierten darüber ins Gespräch zu kommen, und dies alle zwei Jahre in einem 'gemütlichen' Rahmen', so Baumann.
In seiner Hinführung auf das Thema des Tages ging Burkhard Baumann auf den gesellschaftlichen Trend einer zunehmenden Einsamkeit in der Bevölkerung ein. "Anhaltende Einsamkeit kann schwerwiegende negative Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit sowie auf die soziale Teilhabe und den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben", erklärte der Geschäftsführer der Domus Caritas gGmbH. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen seien Menschen in allen Lebensphasen betroffen, Jugendliche genauso wie Menschen im Berufsleben, in besonderen Lebenslagen oder im Übergang zum Ruhestand. "Wir haben diesen traurigen Trend der Einsamkeit in unserer diesjährigen CaritasZeit inhaltlich verknüpft mit unseren Erfahrungen in der Quartiersarbeit, nicht zuletzt deshalb, weil wir hier in unserem Projekt auch etwas aktiv gegen Vereinsamung tun", so Baumann.
Dr. Sebastian Kurtenbach, Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster
Dr. Sebastian Kurtenbach, Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster, ging in seinem Vortrag darauf ein, ob insbesondere Nachbarschaften gegen Einsamkeit wirken können. Denn in der Forschung werde immer wieder "Nachbarschaft" als Instrument genannt, um der Vereinsamung etwas entgegen zu setzen. "Demnach könnte Nachbarschaft tatsächlich ein Resilienz-Faktor sein", so Kurtenbach. "Doch die Nachbarschaft ist so selbstverständlich, dass sie häufig übersehen wird. Dabei ist sie eine Quelle des gesellschaftlichen Zusammenhalts", bemerkte der Wissenschaftler.
In Bezug auf verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen stellte Professor Kurtenbach einige Ergebnisse heraus: "Die Menschen sind insgesamt zufrieden mit ihrer Nachbarschaft. Nachbarschaftliche Hilfe ist verbreitet und Probleme eher die Seltenheit. Nachbarschaft ist also eine Ressource des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowohl in normalen Zeiten als auch in Krisen und ein Baustein zur Herstellung von Resilienz." Darüber hinaus zeige die Auswertung qualitativer Interviews, "dass Vereinsaktivitäten, längere Wohndauer und die Wahrnehmung gegenseitiger Ähnlichkeit den nachbarschaftlichen Austausch fördern."
Da Nachbarschaft jedoch eine informelle, alltägliche soziale Beziehung sei, erscheine ihre direkte Beeinflussung schwierig, so Kurtenbach. "Zum Beispiel zeigen unsere Umfrageergebnisse zur Nachbarschaft in der Corona-Pandemie, dass Menschen es ablehnen, wenn ihre Nachbarschaft durch einen Träger organisiert werden soll." Daher müssten Bewohnerinnen und Bewohner in einem Quartier dazu befähigt werden, "sich gegenseitig in der Rolle des Nachbarn wahrzunehmen, um daraus eine alltägliche Beziehung zu entwickeln." Fachkräfte könnten dafür einen Rahmen anbieten und Anlässe schaffen, dass Nachbarn miteinander in Kontakt treten, etwa durch Stadtteiltreffpunkte, bei Nachbarschaftsfesten oder Aufräumaktionen. "Trauen Sie den Menschen zu, sich selbst zu organisieren! Dafür braucht es vor allem Räumlichkeiten und Gelegenheiten", betonte Sebastian Kurtenbach.
Verena Wilmer, Referentin für Wohnen im Alter und offene Altenhilfe
Verena Wilmer, Referentin für Wohnen im Alter und offene Altenhilfe bei der Domus Caritas, berichtete von den Erfahrungen und Erkenntnissen - insbesondere im Hinblick auf die Prävention von Einsamkeit - aus dem Quartiersprojekt "Wohnen und Leben in Borghorst", welches bereits seit fünf Jahren weiter entwickelt wird.
Mit den Angeboten des Quartiersmanagements sollen unter anderem Seniorinnen und Senioren über 80 Jahre zur Vermeidung von Einsamkeit und Isolation angesprochen werden sowie "Junge Alte" (60+), um deren ehrenamtliches Engagement zu stärken und deren Lebensqualität durch attraktive Freizeit- und Bildungsangebote zu verbessern. "Dabei profitieren wir von einem breit aufgestellten Netzwerk und starken Kooperationspartnern hier vor Ort, die maßgeblich zur Angebotsstruktur beitragen", so Verena Wilmer. Zudem würden die Quartiersbewohnerinnen und -bewohner eingeladen, "aktiv mitzugestalten entsprechend ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten, die sie einbringen möchten".
Verena Wilmer (rechts) im Gespräch mit der ehrenamtlich Tätigen, Maria Lülf
Die Quartiersarbeit im Weberquartier schaffe Räume für Begegnungen. Mit dem Ausbau von ehrenamtlichem Engagement und dessen fachliche Begleitung sowie die Organisation von niederschwelligen Kontaktangeboten gelinge es dem Quartiersmanagement, das Risiko von Einsamkeit nachhaltig zu minimieren, so Wilmer. "Damit leistet die Quartiersarbeit einen unverzichtbaren Beitrag zur kommunalen Daseinsvorsorge und zur präventiven Bekämpfung von Einsamkeit."
Denn die Ressource "nachbarschaftlicher Zusammenhalt" zu fördern, sei - wie gehört - keine leichte Aufgabe, jedoch könnte das Quartiersmanagement einen Rahmen gestalten, indem Gemeinschaft erlebbar wird. "Was jedoch dringend benötigt wird, ist eine gesicherte Finanzierung der Quartiersarbeit sowie die fortlaufende Weiterentwicklung des Quartiers", appellierte Wilmer an die Kostenträger. "In diesem Sinne setzen wir uns im Weberquartier weiter aktiv dafür ein, weitere Verbindungen zu schaffen und Begegnungen zu fördern. Wir weben und spinnen unser Netz weiter fort - denn jede Verbindung zählt!", so Verena Wilmer abschließend.